EU-Produkthaftungsrecht wird reformiert

Die 2022 angestoßene Überarbeitung des EU-Produkthaftungsrechtes war lange fällig. Die aktuelle EU-Produkthaftungsrichtlinie stammt immerhin aus 1985. Das Haftungsrecht soll für das digitale Zeitalter reformiert und an die Marktüberwachungsverordnung und die kürzlich aktualisierte Produktsicherheitsverordnung angeglichen werden. Die Diskussion um die finale Fassung ist nun im EU-Parlament angelaufen.

Viele digitale und zirkuläre Produkte werden vom derzeitigen Produkthaftungsrecht nicht abgedeckt.

Produkthaftungsrecht reicht nicht mehr aus

Das veraltete Produkthaftungsrecht ist nicht mehr in der Lage, alle durch Produkte verursachten Schäden abzudecken. Daraus ergibt sich für Unternehmen Rechtsunsicherheit und für Verbraucher fehlender Kompensationsanspruch durch viele Produkte verursachten Schäden.

Demzufolge werden wohl auch Produkte in die neue Produkthaftungsrichtlinie aufgenommen, die bisher noch nicht erfasst waren, wie z. B. Softwareupdates, KI-Systeme und digitale Services. Mit Blick auf den Ausbau einer Kreislaufwirtschaft (hier mehr erfahren) sollen auch wesentlich modifizierte und wiederaufgearbeitete Produkte aufgenommen werden. Hersteller der Kreislaufwirtschaft sollen jedoch nicht für Schäden durch nicht-modifizierte Produktteile haften müssen.

Für direkt von Verbrauchern in die EU importierte Produkte aus Drittstaaten (z. B. durch Onlinehandel) werden Haftungsansprüche ausgeweitet. Zukünftig sollen sie nicht nur für die derzeit haftenden Importeure gelten, sondern auch für Herstellervertreter und weitere Akteure wie Online-Plattformen, die in der EU ansässig sind.

Änderungen im Prozessrecht bei Schadensfällen

Das reformierte Gesetz soll Verbraucher stärken.

Die Neufassung der Produkthaftungsrichtlinie sieht auch prozessrechtliche Änderungen vor. Die Informationsasymmetrie zwischen Herstellern und Verbrauchern soll verringert werden. Deshalb sollen Wirtschaftsakteure zur Offenlegung von Beweismitteln verpflichtet werden können. Es soll eine deutliche Beweiserleichterung zu Gunsten der Geschädigten geben, jedoch keine Beweislastumkehr. Eine ursprünglich vorgesehene Grenze für Haftungshöchstbetrag und Selbstbeteiligung fallen im Entwurf weg.

Auch die Haftungsregeln werden erneuert. So sollen Ersatzansprüche nur noch bei physischen und psychischen Personenschäden, Sachbeschädigung und Datenverlust entstehen. Die Produkthaftung soll außerdem verschuldensunabhängig gegen den Hersteller und weitere Wirtschaftsakteure greifen. Umgekehrt können nur natürliche Personen Ersatzansprüche geltend machen und auch nur dann, wenn sie ein Produkt nicht ausschließlich für berufliche Zwecke verwendet haben.

Verknüpfung mit KI-Haftungsrichtlinie

Die neue KI-Haftungsrichtlinie soll zusätzlich Grund- und Zivilrechte schützen.

Zusätzlich zur neuen Produkthaftungsrichtlinie soll es in einem zweiten Schritt eine KI-Haftungsrichtlinie geben. Mit dieser sollen alle natürlichen und juristischen Personen bei einem Schaden durch KI-Systeme (z. B. Grundrechtsverletzungen oder zivilrechtliche Haftungsregelungen) auf einer anderen Grundlage als dem Produkthaftungsrecht Ansprüche geltend machen können. Hersteller, Betreiber oder Nutzer von Künstlicher Intelligenz bekommen einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen für die Haftung vorgegeben.

Die KI-Haftungsrichtlinie ist für alle Fälle vorgesehen, in denen die KI als schadenverursachend angenommen wird. Geschädigte müssten einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen dem durch KI verursachten Schaden und eine relevante Pflichtverletzung durch Anbieter, Betreiber oder Nutzer der KI aufzeigen. Außerdem müssen Hersteller oder Zulieferer von Hochrisiko-KI im Falle eines Prozesses alle relevanten Produktinformationen bereitstellen.

Allerdings wird die KI-Haftungsrichtlinie allein keine rechtlichen Schadenersatzansprüche bieten. Sie ergänzt lediglich bestehende nationale verschuldensabhängige Haftungsregelungen bei Rechtsverletzungen durch KI.

Weitere Artikel zum Thema

Das neue Produktsicherheitsgesetz

CE-Kennzeichnung

Links und Quellen

Europa.eu: Neue Haftungsvorschriften für Produkte und künstliche Intelligenz zum Schutz der Verbraucher und zur Förderung von Innovation: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_5807, 16.10.2023

KAN: Reform des EU-Produkthaftungsrechts: https://www.kan.de/publikationen/kanbrief/3/23/reform-des-eu-produkthaftungsrechts, 16.10.2023