Die Maschinenverordnung ist da

Nach ihrer Verabschiedung am 22. Mai durch den Europäischen Rat wurde die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 (Maschinen-VO) am 29. Juni 2023 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Neben strukturellen und redaktionellen Änderungen gibt es in Folge der zunehmenden Automatisierung von Produktionsprozessen und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz vor allem Anpassungen im Bereich Digitalisierung und Sicherheit. Wir haben die wichtigsten Änderungen zusammengefasst.

Aus der Maschinenrichtlinie wird die Maschinenverordnung

Mit Verabschiedung der Maschinenverordnung wird die seit 17 Jahren geltende EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG abgelöst. Die Umstellung von einer Richtlinie auf eine Verordnung führt zu einer Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für die EU-Mitgliedsländer. Für Wirtschaftsakteure wie Hersteller besteht dadurch beim Export eine klare Rechtslage und der Verwaltungsaufwand verringert sich.

Grundlegende Änderungen entstehen durch die Umstellung nicht. Es gibt jedoch praxisbedingte Änderungen und eine Anpassung an die gewachsene Digitalisierung. Die Reihenfolge von Artikeln und Anhängen hat sich geändert. Gleichzeitig wurden neue Termini eingeführt, um die Texte eindeutiger zu machen.

Die Änderungen im Überblick

Redaktionelles

Wie erwähnt ist eine tiefgreifende Umwälzung ausgeblieben. Dennoch lässt die Umstellung auf die Maschinenverordnung sich nicht ohne Hürden bewältigen. Die geänderte Reihenfolge von Abschnitten und Anhängen wird den Vergleich zwischen altem und neuem Recht erschweren. So finden sich z. B. die Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen nun nicht mehr in Anhang I, sondern in Anhang III.

Andere Veränderungen schaffen hingegen mehr Rechtssicherheit. In der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG lag in der Deutschen Fassung die Doppelbelegung des Begriffs „Maschine“ vor. Der Terminus wurde einerseits als Überbegriff für alle Produkte im Anwendungsbereich der Maschinenrichtlinie mit Ausnahme von unvollständigen Maschinen und andererseits für „Maschinen im engeren Sinn“ entsprechend der Definition aus Artikel 2a (2006/42/EG) verwendet.

Stattdessen wird im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens in der Verordnung nur noch von „Maschinen und verwandten Produkten“ („machinery and related products“) oder „unvollständigen Maschinen“ gesprochen. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist in Artikel 2 geregelt.

Geltungsbereich

Der Geltungsbereich der Maschinenverordnung entspricht weitgehend dem der Maschinenrichtlinie. Sie regelt die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme folgender Produkte:

  1. Maschinen
  2. auswechselbare Ausrüstungen
  3. Sicherheitsbauteile
  4. Lastaufnahmemittel
  5. Ketten, Seile und Gurte
  6. abnehmbare Gelenkwellen
  7. unvollständige Maschinen

Der Begriff des Sicherheitsbauteils wurde erweitert und umfasst nun auch Software und andere digitale Bauteile, die für sich alleinstehen und Sicherheitsfunktionen ausführen. Anders als in der Maschinenrichtlinie in Anhang V findet sich die nicht erschöpfende Liste der Sicherheitsbauteile nun in Anhang II.

Konformität

Wie schon in der Maschinenrichtlinie gilt auch in Zukunft die „Vermutungswirkung“. Der Verwendung harmonisierter Normen (Veröffentlichung im Amtsblatt der EU) belegt danach auch weiterhin das Einhalten von grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen. Sollten entsprechende harmonisierte Normen fehlen, darf die EU-Kommission eigenständig Spezifikationen und Anforderungen per Rechtsakt erstellen. Diese werden zurückgenommen, wenn die Normen zu einem späteren Zeitpunkt erstellt bzw. aktualisiert werden.

Konformitätsbewertung

Bisher bestand im Maschinenrecht oft Unklarheit darüber, welche oder wie viele Änderungen an einer Maschine nach dem Inverkehrbringen bzw. der Inbetriebnahme vorgenommen werden dürfen, ehe sie als neue Maschine gilt und ein neues Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen muss.

Die Verordnung kodifiziert dazu nun klare Regelungen, die aus bisherigen Interpretationshilfen abgeleitet wurden (Blue Guide, Interpretationspapier des Bundesarbeitsministeriums o. ä.). Von nun an ist jede vom Hersteller nicht vorgesehene oder geplante physische oder digitale Veränderung, die nach dem Inverkehrbringen bzw. nach der Inbetriebnahme vorgenommen wird, als wesentliche Änderung zu verstehen. Um neue Schutzmaßnahmen erforderlich zu machen, muss eine solche Veränderung eine neue Gefährdung schaffen oder ein bestehendes Risiko erhöhen. Eine Person, die eine wesentliche Veränderung vornimmt, wird auch in Zukunft zum Hersteller und muss alle damit verbunden Pflichten inkl. eines neuen Konformitätsbewertungsverfahrens erfüllen. Diese sind in Artikel 10 der Verordnung aufgelistet. Das gilt auch, wenn eine Maschine durch Anbringen einer „einfache Schutzeinrichtung“ wieder in einen sicheren Zustand gebracht werden kann. Unvollständige Maschinen werden von den Vorgaben zur wesentlichen Änderung nicht erfasst, da diese lediglich zum Einbau in eine Maschine bestimmt sind.

Nachmarktpflicht

Mit dem vorigen Punkt einhergehend sieht die Maschinenverordnung eine explizite Nachmarktpflicht für Hersteller vor (Artikel 10, Absatz 9). Hersteller müssen „unverzüglich die erforderlichen Korrekturmaßnahmen“ ergreifen, um Konformität mit der Verordnung herzustellen, eingeschlossen die Verständigung nationaler Behörden oder – sofern angemessen – eine Vom-Markt-Nahme oder ein Produktrückruf.

Digitale Sicherheit

Die Sicherheit digitaler Maschinen und Bauteile ist fortan ebenfalls eine Herstellerpflicht. Zu diesem Zweck wurde der Punkt 1.1.9 Anhang III „Schutz gegen Verfälschungen“ (Protection against corruption) definiert. Hersteller müssen zukünftig Sicherheitsvorkehrungen treffen, um auf angemessene Weise vor unbeabsichtigten oder vorsätzlichen Angriffen Dritter zu schützen. Das heißt, dass die Verknüpfung eines Gerätes mittels USB (o. ä.) oder über das Internet („remote devices“) nicht zu gefährlichen Situationen führen darf.

Dabei wird zwischen „absichtlicher“ und „unabsichtlicher Korruption“ unterschieden. Unabsichtliche Korruption entspricht dabei Änderungen, die ohne böse Absicht entstehen, wie versehentliche Eingabefehler durch Mitarbeiter. Absichtliche Korruption entspricht dagegen Hacking oder der gezielten Beeinflussung von Mitarbeitern oder Nutzern (Social Engineering).

Die geänderten Anforderungen an Hersteller sind im Einklang mit dem Cyber Resilliance Act und der geänderten Funkgeräterichtlinie der EU erstellt.

KI und selbstentwickelndes Verhalten

Anhang III der Maschinenverordnung enthält fortan auch grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für Künstliche Intelligenz (KI), die in der Verordnung als „Maschinen mit sich entwickelnden Fähigkeiten“ (self-evolving machine) bezeichnet wird. Wie bisher müssen

in der Risikobeurteilung jene Risiken berücksichtigt werden, die durch autonomes Verhalten entstehen können, jedoch sind nun explizite Anforderungen vorgegeben.

Die Lernphase der Künstlichen Intelligenz muss in der Risikobeurteilung berücksichtigt und die Grenzen des Lernens im Voraus klar definiert werden. Beides muss mit entsprechenden Sicherheits- und Gesundheitsmaßnahmen abgesichert werden.

Anders als geplant, wurde die Maschinenverordnung nicht mit der kommenden europäischen KI-Verordnung verknüpft. Dadurch können in Zukunft Ungereimtheiten zwischen beiden Rechtstexten auftreten und eine Nachbesserung der Maschinenverordnung notwendig machen.

Papierlose Anleitungen und Erklärungen

Die Abkehr von Anleitungen und Erklärungen auf Papier zugunsten eines ressourcenschonenden Wirtschaftens gelingt nur teilweise. Konformitäts- bzw. Einbauerklärungen dürfen künftig stets in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden und downloadbar wie druckbar sein. Betriebsanleitungen sind im Business-to-Business (B2B) in digitaler Form grundsätzlich gestattet, müssen jedoch auf Wunsch des Endkunden innerhalb einer einmonatigen Frist nach dem Kauf in gedruckter Form ausgehändigt werden.

„Nichtprofessionellen Nutzern“ müssen auch zukünftig die Sicherheitsinformationen zwingend in Papierform zur Verfügung gestellt werden.

Neue Definition für Hochrisikomaschinen

Anders als in der Entwurfsphase vorgesehen, findet sich der Begriff „Hochrisikomaschine“ nicht in der Endfassung der Verordnung. Stattdessen wird zwischen den Maschinentypen A und B unterschieden. Auf diese Weise soll eine Stigmatisierung solcher Maschinen verhindert werden.

Die ursprünglichen Hochrisikomaschinen aus Anhang IV der Maschinenrichtlinie sind nun in Teil A des Anhang I der Maschinenverordnung aufgeführt. Darunter fallen nun auch Maschinen, deren Sicherheitsfunktionen vom System mit selbstentwickelndem Verhalten (also KI) gewährleistet werden.

Für die Maschinen in Teil A ist eines der folgenden, aufwendigeren Konformitätsbewertungsverfahren anzuwenden:

  1. EU-Baumusterprüfung gefolgt von der internen Fertigungskontrolle
  2. Einzelprüfung
  3. umfassende Qualitätssicherung, Art. 25 Abs. 2 Maschinen-VO

Für Maschinen in Teil B sind diese Verfahren nur fällig, wenn der Hersteller sie nicht vollständig nach einschlägigen harmonisierten Normen oder gemeinsamen Spezifikationen konstruiert und gebaut hat. Dies entspricht Artikel 12 Abs. 4 der Maschinenrichtlinie.

Ab wann gilt die Maschinenverordnung?

Wie in einem früheren Beitrag berichtet, wurde statt einer Übergangszeit ein Stichtag auf 42 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung festgelegt: voraussichtlich der 20. Januar 2027. Ab diesem Zeitpunkt müssen Konformitätserklärung, technische Unterlagen usw. der Maschinenverordnung entsprechen.

Angesichts der vielen, kleinen, spezifischen Änderungen, in die Hersteller und andere Wirtschaftsakteure sich nun einarbeiten müssen, kommt diese Frist recht knapp daher. Nichtsdestotrotz stellt die neue Maschinenverordnung eine unumgängliche Anpassung an die moderne Wirtschaftslage dar.

 

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Links und Quellen