EU-Lieferkettenrichtlinie kommt in entschärfter Form

Nach dem Rückschritt im Februar 2024 durch die deutsche Enthaltung hat eine entschärfte Form der EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) am 14. März 2024 eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Mitgliedsstaaten erhalten. Nach Zustimmung des EU-Parlaments wird die Richtlinie in Kürze veröffentlicht. Welche zukünftigen Neuerungen ergeben sich für Unternehmen?

Neuer Umfang der EU-Lieferkettenrichtlinie

Um diese wichtige und symbolträchtige Regelung noch vor der Europawahl im Juni 2024 auf den Weg zu bringen, wurde ein neuer Wirkungsumfang ausgehandelt, der die notwendige Mehrheit erreichte. Die enthaltenen Vorschriften sowie die Anzahl der betroffenen Unternehmen wurden reduziert. Statt einer Unternehmensgröße von mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 150 Mio. Euro betrifft die CSDDD künftig Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden und 450 Mio. Euro Umsatz weltweit. Zusätzlich wurde die schrittweise Übergangszeit auf fünf Jahre verlängert.

Die geplante Einführung von Risikosektoren wurde gestrichen. Ursprünglich sollte die Richtlinie bei Wirtschaftszweigen wie der Landwirtschaft oder Textilindustrie, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen besonders hoch ist, schon bei einer geringeren Mitarbeitendenzahl gelten.

Insgesamt sind ca. 5400 europäische Unternehmen direkt von der EU-Lieferkettenrichtlinie betroffen. Die gesetzlichen Vorgaben werden jedoch auch eine indirekte Wirkung auf kleine und mittlere Unternehmen haben.

Neue Regelungen durch CSDDD entlang der Aktivitätskette

Die Richtlinie bezeichnet alle vor- und nachgelagerten Tätigkeiten, die ein Unternehmen direkt und indirekt vornimmt, um ein Produkt herzustellen, zu vertreiben und zu entsorgen, als „Aktivitätskette“. Künftig können Unternehmen, in deren Aktivitätsketten es zu Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung kommt, zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Unternehmen sind verpflichtet, schädliche Auswirkungen ihres Geschäftsbetriebs zu verhindern oder soweit wie möglich zu reduzieren. Dazu sollen CSDDD-Unternehmen bei eigenen Tätigkeiten sowie denen von Tochtergesellschaften, direkten und indirekten Lieferanten sowie bei der Nutzung und Entsorgung ihrer Produkte die Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards sicherstellen. Die dazu dienlichen Maßnahmen sind im OECD-Leitfaden zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln aufgeführt.

Diese Sorgfaltsmaßnahmen umfassen

  • Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und die Managementsysteme,
  • Identifizierung und Bewertung nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen,
  • Verhinderung, Beendigung oder Minimierung tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen,
  • Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen,
  • Kommunikation,
  • Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen.

Um negative Auswirkungen auf Menschen und Umwelt vorzubeugen, sind jährliche Bewertungen anhand geeigneter Indikatoren vorgesehen. Besteht die Annahme, dass durch Veränderungen im Betrieb erhebliche neue Risiken entstehen, ist eine anlassbezoge Prüfung vorgesehen. Diese Bewertungen sind dann in Form jährlicher Berichte öffentlich zugänglich.

Maßnahmen gegen schädliche Auswirkungen

Es wird ein Verfahren eingerichtet, damit Personen, Gewerkschaften, andere Arbeitnehmervertreter und zivilgesellschaftliche Organisationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette Beschwerde einreichen können. CSDDD-Unternehmen müssen bei Beschwerden Folgemaßnahmen ergreifen. Gleichzeitig sollen Beschwerdeführer die Möglichkeit bekommen, sich bei schwerwiegenden Auswirkungen direkt an Unternehmen bzw. deren Vertreter zu wenden.

Unternehmen sollen einen Bevollmächtigten ernennen und mit den notwendigen Befugnissen ausstatten, der Mitteilungen im Zusammenhang mit der EU-Lieferkettenrichtlinie von Aufsichtsbehörden entgegennimmt. Die Funktion entspricht dem „Menschenrechtsbeauftragten“ im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Sanktionen bei CSDDD-Verstößen

Anders als das deutsche LkSG sieht die EU-Richtlinie bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten zivilrechtliche Haftung vor. Unternehmen haften dabei auch für Verstöße von Tochtergesellschaften und Zulieferern. Die Höhe der vorgesehenen umsatzbezogenen Geldbußen sowie die nationale Behörde, die künftig die Einhaltung der Richtlinie kontrollieren wird, werden von den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten festgelegt.

Schrittweise Umsetzung der EU-Richtlinie

Die EU-Lieferkettenrichtlinie tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Dann haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.

Wie erwähnt wird der Wirkungskreis der CSDDD schrittweise erweitert. Ab 2027 gilt sie für Unternehmen mit über 5000 Mitarbeitenden und über 1,5 Mrd. Euro Umsatz, ab 2028 bei über 3000 Mitarbeitenden und über 900 Mio. Euro Umsatz und ab 2029 bei über 1000 Mitarbeitenden und über 450 Mio. Euro Umsatz.

 

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Links und Quellen

HAUFE: EU-Lieferketten-Richtlinie verabschiedet!: https://www.haufe.de/compliance/recht-politik/ein-ueberblick-die-eu-lieferketten-richtlinie-csddd_230132_612132.html, 24.04.2024

OECD: OECD-Leitfaden zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln: https://mneguidelines.oecd.org/OECD-leitfaden-fur-die-erfullung-der-sorgfaltspflicht-fur-verantwortungsvolles-unternehmerisches-handeln.pdf, 24.04.2024

WEKA: EU-Rat beschließt die EU-Lieferkettenrichtlinie in entschärfter Form: https://www.weka.de/umweltschutz/eu-rat-beschliesst-die-eu-lieferkettenrichtlinie-in-entschaerfter-form/?newsletter=as/i/auu/2024/16/1204270/eu-rat-beschliesst-die-eu-lieferkettenrichtlinie-in-entschaerfter-form%2Finhalt&chorid=1204270&salesgroup=314, 24.04.2024