Risikobestimmung mit RAPEX
Um Verbraucher vor schädlichen Produkten zu schützen, hat die EU im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Kontrollmechanismen eingesetzt. Dazu gehörte unteranderem die Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 (GPSR – General Product Safety Regulation), welche am 23. Mai 2023 die Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG (RaPS) abgelöst hat. Aus der Verordnung gehen die Aufgaben der Marktüberwachungsbehörden wie Regierungsbezirke oder Gewerbeaufsichtsämter hervor. Es geht darum, gesundheitliche Risiken frühzeitig zu erkennen und rasch Schutzmaßnahmen für Verbraucher einleiten zu können.
Für einen schnellen Austausch der Behörden wurde am 16. Dezember 2009 mit Bezug auf die RaPS das Schnellwarnsystem für Verbraucherprodukte (RAPEX) für alle EU-Mitgliedsstaaten eingeführt.
Welche Funktionen hat RAPEX?
In erster Linie dient RAPEX zum raschen Informationsaustausch über gefährliche Produkte sowie die ergriffenen Maßnahmen, um die Produktverwendung zu vermeiden oder einzuschränken (z. B. Rücknahme- oder Rückrufaktionen). Erfasst werden die Maßnahmen der einzelstaatlichen Marktüberwachungsbehörden sowie die freiwilligen Maßnahmen von Herstellern und Händlern. Die Europäische Kommission veröffentlicht jeden Freitag eine Übersicht über gefährliche Produkte, die auch für Verbraucher und Händler zugängig ist.
Darüber hinaus nutzen viele Unternehmen die RAPEX-Übersicht mittlerweile, um sich über mögliche Produktrisiken oder die Grundlagen für eigene Risikobewertungen zu informieren.
Hier geht es zu RAPEX.
Risikobewertung mit RAPEX
Die Methode zur Risikobewertung für Non-Food-Verbraucherprodukte, welche die Behörden der Mitgliedstaaten verwenden, ist in der Richtlinie 2010/15/EU Anhang V beschrieben. Von dem ermittelten Risikograd hängt ab, ob ein Produkt von den Behörden an RAPEX gemeldet wird oder nicht. Eine Dokumentation zur Nachvollziehbarkeit des Bewertungsprozesses muss zusätzlich vorgenommen werden, da es sich um einen subjektiven Prozess handelt.
Für die Risikobewertung grundlegende Elemente sind:
- Risikoermittlung aus Schweregrad einer möglichen Verletzung des Verbrauchers und der Wahrscheinlichkeit, dass es zu dieser Verletzung kommt
- Beschreiben mindestens eines Verletzungsszenarios, bei dem die inhärente Produktgefahr zu einer Schädigung des Verbrauchers führt und Bestimmen des Schweregrades der Verletzung
- Abschätzen der Wahrscheinlichkeit, mit der die inhärente Produktgefahr tatsächlich zu einer Verletzung des Verbrauchers führt
- Kombination der Gefahr (als Schweregrad der Verletzung) mit der Wahrscheinlichkeit (angegeben als Bruchteil), um das Risiko zu ermitteln
Die Risikobeurteilung erfolgt in sechs Schritten anhand von 4 Tabellen:
- Tabelle 1: Verbraucherkategorie
- Tabelle 2: Gefahren, typische Verletzungsszenarien und typische Verletzungen
- Tabelle 3: Schweregrad der Verletzung
- Tabelle 4: Risikograd als Resultat der Kombination aus Schweregrad der Verletzung und der Wahrscheinlichkeit des Eintretens
Schritt 1: Beschreibung des Produkts und seiner Gefahren
Für die Beschreibung eines Produkts reicht es nicht aus, Produkt- und Modellbezeichnung sowie Marke anzugeben. Es muss auch für Laien eindeutig identifizierbar sein. Die Identifikation von Produktgefahren wird mit Hilfe von Tabelle 2 vorgenommen. Darin werden einzelne Gefahrengruppen wie Größe, Form, Oberfläche oder potenzielle Energie unterschieden. Mögliche Gefahren werden aus diesen Produkteigenschaften abgeleitet sowie beispielhaft typische Verletzungen dargestellt.
Schritt 2: Verbraucherkategorien auswählen
Mögliche Verbrauchergruppen werden Tabelle 1 entnommen. Fähigkeiten und Verhalten eines Verbrauchers bei der Produktverwendung können einen großen Einfluss auf den Risikograd haben.
Normalerweise nicht gefährdete Verbraucher können in bestimmten Situationen trotzdem gefährdet werden, wenn z. B. Warnhinweise auf einem Produkt in einer für sie unverständlichen Fremdsprache verfasst sind. Um das höchst mögliche Produktrisiko zuverlässig zu ermitteln, sollten daher Verletzungsszenarien mit unterschiedlichen Verbrauchergruppen erstellt werden.
Schritt 3: Das Verletzungsszenario beschreiben
Das Verletzungsszenario wird abhängig von der Verbrauchergruppe und der ausgewählten Produktgefahr beschrieben. Wichtig ist, dass die Beschreibung klar und genau ist, sie muss nicht allzu detailliert sein. Tabelle 2 bietet eine konkrete Hilfestellung bei diesem Schritt.
Schritt 4: Schweregrad der Verletzung bestimmen
Anhand von Tabelle 3 wird der Schweregrad der Verletzung(en) bestimmt. Je nach Art und Ausmaß der Verletzungen werden vier Schweregraden unterschieden, die sich wiederum am Ausmaß der notwendigen medizinischen Betreuung orientieren.
Schritt 5: Wahrscheinlichkeit bestimmen
Um die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verletzungsszenarios einzuschätzen, werden alle Einzelhandlungen betrachtet, die zum Eintritt der Verletzung führen können. In Tabelle 4 werden zur Einstufung der Gesamtwahrscheinlichkeit acht Wahrscheinlichkeitsgrade unterschieden (von <1/1.000.000 bis >50 %).
Schritt 6: Risikograd entnehmen
Wurden der Schweregrad der Verletzung und Eintrittswahrscheinlichkeit sämtliche Verletzungsszenarien sowie die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung während der gesamten voraussichtlichen Lebensdauer des Produkts bestimmt, wird aus Tabelle 4 der Risikograd entnommen. Dabei werden die vier Risikograde ernst, hoch, mittel und niedrig unterschieden.
Wichtig: Selbst wenn für ein Produkt keine RAPEX-Meldung notwendig sein sollte, kann die Marktüberwachung bei einem hohen Risikograd Maßnahmen gegen das Produkt verhängen.
In der Regel kann ein Hersteller anhand der aufgeführten Schritte das Verbraucherrisiko durch seine Produkte und die Plausibilität des Risikogrades selbst bewerten. Dabei sollte er stets auf die besten zur Verfügung stehenden Daten sowie der Einschätzung von Fachleuten zurückgreifen. Auf diese Weise kann er möglichen Sanktionen der Marktaufsicht zuvorkommen und damit verbundene Kosten oder einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit vermeiden.
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Links und Quellen:
- BAUA: RAPEX – Rapid Exchange of Information System, https://www.baua.de/DE/Themen/Anwendungssichere-Chemikalien-und-Produkte/Produktsicherheit/Marktueberwachung/Rapex.html, 21.08.2023
- EUR-Lex: Leitlinien zu RAPEX: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32010D0015&qid=1692343413540, 21.08.2023
- EUR-Lex: Produktsicherheitsverordnung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023R0988&qid=1692614445896, 21.08.2023